Ein geschichtsträchtiger Ausflug

20.8.2017 - Der NABU Bingenheim hatte auch in diesem Jahr wieder zur traditionellen "Fahrradtour für die ganze Familie" eingeladen. Interessierte Teilnehmer hatten sich am Sonntag, den 20. August 2017, um 10.00 Uhr vor dem Bürgerhaus in Bingenheim bei herrlichem Sonnenschein versammelt. Das Vorstandsmitglied Udo Seum hieß die Radler in einer kurzen Ansprache herzlich willkommen und startete dann sogleich die Tour. Sie führte entlang des Bingenheimer Rieds über Reichelsheim nach Staden und von dort durch das Naturschutzgebiet nach Dauernheim. Waren die Wege bis dorthin relativ eben und entspannt zu fahren, mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf einem Stück des Wegs über die Landstraße nach Blofeld kräftig in die Pedalen treten, um den doch recht steilen Anstieg zu meistern. Oben angekommen, erwartete Vorstandsmitglied Oliver Schwab die Radfahrer mit kühlen Getränken, die dankbaren Zuspruch fanden. Nach einer kurzen Verschnaufpause fuhr die Gruppe noch ca. 1 km tief in den Wald und war dann endlich am Ziel der Radtour, "Der Wildfrauen Gestühl", angekommen. Hier wurde die muntere Truppe von Herrn Michael Strecker begrüßt. Er ist Autor des Büchleins "Auf den Spuren der Wilden Frau von Dauernheim", das man noch als E-Book für kleines Geld erwerben kann. Streckers Intention zum Buch war, die unterschiedlichen Theorien und Erklärungsansätze, die in grauer Vorzeit bis in die jüngste Vergangenheit veröffentlicht wurden, zusammenzutragen. So erfuhren die aufmerksamen Zuhörer, dass es sich bei der Dauernheimer Wilden Frau nicht um den Einzelfall einer sonderbaren und mystischen Frauengestalt handelt. Im Gegenteil: Rund um den Vogelsberg gibt es rund 50, hessenweit sogar rund 70 Plätze, die irgendwie auf eine "Wilde Frau" Bezug nehmen. Da ist z.B. die Rede vom "Wilden Weibsbild" in Birstein oder "Der Wilden Frau Born" in Stornfels. Der Charakter der beschriebenen Frauengestalten zeigt sowohl positive als auch negative Züge auf. Sie werden als schön, gut, fleißig und Glück bringend beschrieben, aber auch als hässlich, alt, am Leibe überall behaart und sich in Tierfelle kleidend. Viele Forscher sehen darin die Beschreibung einer vorchristlichen göttlichen Gestalt, deren heidnische Verehrung in der Wetterau erst mit der vollständigen Christianisierung gegen 700 n. Chr. an Bedeutung verlor. Die Orte der heidnischen Götterverehrung bezeichnete man im Zuge der Christianisierung als "wilde" Plätze. Man versuchte damit, sie zu verteufeln und mit Schreckensgeschichten zu belegen. Soweit einer von vielen theoretischen Erklärungsansätzen der "Wilden Frau".

Andere sehen in "Der Wildfrauen Gestühl" einen Opferstein im weitesten Sinne oder gar eine alte Gerichtsstätte. Der Sage nach soll der Gerichtstisch vom Wildfrauengestühl nach Bingenheim gebracht worden sein. In einer alten Überlieferung heißt es, dass in Bingenheim beim Rathaus unter den Linden jährlich drei Gerichte abgehalten worden sein sollen. Und von dem unter den Linden stehenden Tisch werde erzählt, dass er vom Wildfrauengestühl dorthin gebracht worden sein soll. Der Tisch selbst allerdings scheint in den 60er Jahren einem Diebstahl zum Opfer gefallen zu sein.

"Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Erklärungsversuche, was es mit "Der Wildfrauen Gestühl" in Dauernheim auf sich haben könnte. Letzte Gewissheit werden wir allerdings, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, keine haben. Und so bleibt uns nur selbst zu entscheiden, was wir glauben wollen und was nicht." Mit diesen Worten beendete Strecker seinen interessanten und kurzweiligen Vortrag. "Eine spannende Einführung in die Geheimnisse um diese sagenumwobene Stätte haben Sie uns da gegeben. Ihre Ausführungen werden uns sicher noch eine ganze Weile beschäftigen. Haben Sie herzlichen Dank dafür!", so Udo Seum.

Danach traten die Radwanderer den Heimweg nach Bingenheim zum dortigen Geflügelzuchtverein an, wo zum Abschluss der Radtour gegrillt wurde.