Grünspecht-Exkursion: Nur hören statt sehen – Streuobstwiesen erhalten

7.6.2014 Sein Ruf gleicht einem gellenden Lachen. Mit seinen grünlichen Federn und der roten Haube auf dem Kopf, den schwarz ummantelten Augen fällt er auf den Streuobstwiesen rund um Bingenheim an diesem Samstag nicht auf. Ein Dutzend Naturfreunde folgten der Einladung der Bingenheimer Nabu-Gruppe zur Grünspecht-Exkursion. „Der Grünspecht ist unser Vogel des Jahres, man sieht ihn, hört ihn, er nutzt unsere Lebensräume“, erklärt Veronika Pigorsch vom Vorstand der Bingenheimer Nabu-Gruppe. „Er ist ein Erdspecht, sucht seine Nahrung, die vorwiegend aus Ameisen besteht, am Boden und baut seine Höhlen in alten Obstbäumen.“ Rund um Bingenheim leben etliche Grünspechtpaare. Deutschlandweit gibt es bis zu 76 000 Brutpaare.

Sie sind Standvögel, leben das ganze Jahr in  ihrem Revier, dem sie lebenslänglich treu bleiben. „Der Grünspecht ist ein echter Europäer, 90 Prozent der weltweit vorkommenden Brutpaare leben in Europa.“ Noch sei der Grünspecht nicht gefährdet. „Das wird sich jedoch ändern“, prognostiziert Pigorsch. Je mehr alte Bäume gefällt werden, je mehr Streuobstwiesen gerodet werden, je mehr Neubaugebiete auf den Wiesen rund um die Dörfer ausgewiesen werden, je mehr mittelhohe und niedrige Obstbäume gepflanzt werden, desto düsterer sehe es für den Grünspecht aus, Wohnraum zu finden. Außerdem gelte es Ameisenbestände zu schützen, denn ohne seine Leibspeise kann der Grünspecht nicht existieren. Mit einem Forschungsprojekt, an dem sich auch die  Bingenheimer beteiligen, wollen Ornithologen herausfinden, ob der Grünspecht Nistkästen nutzt. Dazu montierten die Helfer im Frühjahr unterschiedliche Nist-Angebote für den Erdspecht: Einige mit vorgefertigten Höhlen, andere mit vorgebohrtem Loch, damit der Specht sein Nest dort selbst anlegen kann. Nun gilt es für die Bingenheimer Naturschützer diese Nisthilfen zu beobachten, zu schauen, ob sich Specht dort niederlassen, wer nach ihnen die Kästen nutzt.

„Wir haben eine Verantwortung den Tieren gegenüber, wie dem Grünspecht, die in Streuobstwiesen leben“, sagt Sven Schuchmann vom Bingenheimer Nabu-Vorstand. Deshalb sei es wichtig, das Bewusstsein zu schaffen und zu schärfen, wie die Vögel leben. Die Vogelpopulation verändere sich. „Für meinen Großvater waren noch viel mehr Arten als heute allgegenwärtig“, erklärt Schuchmann. Das Wissen um die heimischen Tiere müsse weitergetragen werden. Auf einer Streuobstwiese oberhalb von Bingenheim haben Grünspechte ihr Revier. Ihre Rufe sind deutlich zu hören, sehen lässt sich an dem heißen Samstagnachmittag allerdings keiner der Ameisenjäger. „Die klebrige Zunge des Grünspechts ist bis zu zehn Zentimeter lang, damit kann er Ameisen optimal aufpicken“, erklärt Pigorsch. Der Erdspecht erreicht eine Körperlänge von rund 30 Zentimetern. Damit die Grünspechte gut jagen können, dürfe das Gras rund um die Bäume nicht zu kurz und nicht zu lang sein.  In den alten Obstbäumen sind etliche Spechthöhlen zu sehen. „Sie nutzen mehrere Höhlen gleichzeitig, verlässt der Specht eine Höhle, ziehen Hohltauben, Sperlinge, Star oder Hornissen ein, im Winter beziehen Fledermäuse in den tiefen Hohlräumen Quartier. Specht-Höhlen seien besonders tief, damit Marder keine Chance hätten, den Nachwuchs zu rauben. Pigorsch warb dafür den eigenen Garten specht- und ameisenfreundlich zu gestalten: Nicht zu häufig das Gras mähen, aufs Vertikutieren verzichten, keine Gifte einsetzen, etwas Wildnis zulassen, alte Bäume stehen lassen. „Alte Bäume bieten einen vielfältigen Lebensraum und sie sind eine schöne Beobachtungsmöglichkeit.“ Noch gebe es in der Wetterau rund 200 000 Streuobstwiesenbäume. „Die müssen erhalten und ausgebaut werden“, warb Pigorsch.

(Fotos und Text: Ines Dauernheim)